Freitag, 22. November 2024

Schwerer Alltag

 Meine Onkologin sagt, ich muss nur noch alle fünf Monate zum CT, da Therapie schlägt an, erfahrungsgemäß gehe es jetzt "einige Jahre " so weiter. 

Das ist nach wie vor eine Riesenerleichterung, auch bei aller Ungewissheit und in Anbetracht der Gesamtsituation. 

Letzte Woche bekam ich den neuen Bescheid von der Schwerbehindertenstelle, ich gelte jetzt als 100% schwerbehindert mit Merkzeichen G und darf kostenlos den Nahverkehr nutzen. 

Auch das ist insofern positiv,  als es mir finanzielle Vorteile bringt, aber  es fühlt sich nicht gut an, eher etwas schockierend (gleichzeitig wundere ich mich fast, dass mich überhaupt noch etwas schockieren kann).

Ich hatte vor zwei Wochen drei Tage hohes Fieber,  lag dann insgesamt zwei Wochen mehr oder weniger im Bett. Jetzt laufe ich wieder herum, bin aber kurzatmig und schaffe keine große Hunderunde. Das deprimiert mich,  mein Krötlein ebenso, und auch das therapiebedingte rapide Altern mit dünnen Haaren, tiefen Augenringen, einem irgendwie eingefallenen, verhärmten Gesicht setzt mir zu. Schöne Anziehsachen, eine gute Frisörin und manchmal etwas Farbe im Gesicht helfen,  aber nur solange,  wie ich nicht versuche,  ein Selfie mit oder ohne Hund zu machen. Der Anblick zieht mir jedesmal den Boden unter den Füßen weg,  vor allem, wenn ich vorher im Bad noch dachte,  heute sehe ich ganz okay aus. Ich bin doch in Wirklichkeit erst sechzig. 

Sonntag, 2. Juni 2024

Es geht besser

Es ist wieder Juni, vor einem Jahr war ich mit meiner kleinen Hündin jeden Abend am Rhein,  bei Blütenpracht und lauer Luft, es war sehr schön und ich erinnere mich gern daran. Der Juni war ihr letzter Monat, sie ist 16 Jahre alt geworden. 

Ich selbst bin jetzt seit über einem Jahr tumorfrei, ich kann es kaum fassen. Langsam bekomme ich das Gefühl, vielleicht doch noch ein längeres Leben zu haben. Körperlich und seelisch geht es mir vergleichsweise gut. Jede Woche gehe ich zum Qi Gong, was wahre Wunder wirkt, abends kann ich dir große Hunderunde mitgehen, und zur Psychotherapie gehe ich nur noch sporadisch,  nach Bedarf.

Die Rentenbewilligung lässt noch immer auf sich warten. Meine Frau hat mir einen Aquarellkasten geschenkt, und ab Oktober bin ich bei der Kunsttherapie angemeldet. Meine Tage sind weiterhin recht kurz- in dem Sinne, dass ich alle drei bis vier Stunden eine längere Ruhepause brauche,  nachmittags muss ich zwei bis drei Stunden schlafen. Insgesamt bin ich aber sehr viel fitter und schaffe es auch meistens noch zu kochen. 

Ich versuche,  mein Leben zu genießen und zu tun,  was mir Freude macht. Sollte der Therapieerfolg anhalten, werde ich mir aber irgendwann überlegen, was für geistige Herausforderungen ich mir suchen könnte. Einstweilen lasse ich mich auf der glücklichen Welle treiben, die ich erwischen konnte.